So haben wir die Dinge gesehen: Feature "AC/DC ist okay für mich"

Feature in PORSCHE SCENE 03/2011: Aug in Aug mit dem elektrisierenden 918 Spyder; Foto: Carsten Krome

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Feature in PORSCHE SCENE 03/2011: Aug in Aug mit dem elektrisierenden 918 Spyder

Mit über 13 Millionen Besuchern ist Starlight Express in Bochum das aktuell erfolgreichste Musical der Welt an einem Standort. Andrew Lloyd Webbers Meisterwerk erzählt die Geschichte des Rennens der internationalen Züge. Die Protagonisten sind Rusty, die liebenswerte, jedoch veraltete Dampflok, Cabousse, der intrigante Bremswagen, Greaseball, die arrogante, weil sieggewohnte Diesellok – und Electra, die hypermoderne E-Lok. Diese betritt die Szenerie mit einem fulminanten Auftritt. Ihr Song, nein, ihre Hymne ertönt, im Refrain heißt es: "AC/DC ist okay für mich – gleich dreht sich mein Strom und wechselt sich!" Am 12. Juni 1988 tritt Electra erstmals vor ihr deutsches Publikum. Szenenwechsel: Am 31. Januar 2009 eröffnet das neue Porsche Museum am Porscheplatz 1 in Zuffenhausen. Es schickt sich an, der Starlight Express unter den Autosammlungen zu werden – eine der weltweit populärsten. Am Montag, den 4. Oktober 2010, ist Ruhetag im Museum. Eigentlich. Doch im Obergeschoss wartet ein Porsche wie Electra, die futuristische E-Lok. Wir sind mit ihm allein, 30 Minuten lang. Und werden dieses Lied im Geiste nicht wieder los: 

Es ist Montag, der 4. Oktober 2010, um die Mittagszeit. Da steht er nun, ruhig, diskret und unheimlich kompakt, der 918 Spyder von Porsche! Eine Woche lang gastiert er im neuen Museum am Porscheplatz 1. Dass die letzten Meter zu ihm hinauf ins Obergeschoss über eine scheinbar ins Firmament hinein ragende Rolltreppe führen, kann kein Zufall sein. Ganz oben will ihn Porsche positioniert wissen, nicht nur in der internen Hierarchie. Der 918 Spyder beansprucht seinen Platz auf dem Olymp der Supersportwagen, deren Rennausführungen sich zum Beispiel in der FIA-GT1-Weltmeisterschaft bekriegen und Maserati MC 12, Lamborghini Murciélago R-SV oder Aston Martin DBR 9 heißen. Doch da gibt es ein Problem: Konstruktionen ohne Dach sind in der GT1 nicht zugelassen, jedenfalls bisher nicht. Der 918 Spyder kommt, wie der Name schon sagt, ohne ein Dach aus. Das ist zumindest am 4. Oktober 2010 der Kenntnisstand. Am Montag, den 10. Januar 2011, wird die Welt mehr wissen und Porsche eine geschlossene Version, den 918 RSR, aus der Taufe heben. Designchef Michael Mauer wird offenbaren, der neue Leistungs- und Technologieträger sei von Anfang an als Supersportwagen konzipiert worden. Im Klartext: mit Dach, im Hinblick auf eventuelle Renneinsätze. Ein 918 Spyder, das steht fest, wäre als Le-Mans-Prototyp, kurz LMP, nicht radikal genug. Er scheidet für eine Karriere im Motorsport aus. Das weiß man bei Porsche aus eigener Erfahrung. Der RS Spyder ist ein offener Le-Mans-Prototyp, den ein auf 3,4 Liter limitierter Achtzylinder-Motor mit Benzin-Direkteinspritzung antreibt. Dessen intern als MR6 bezeichnetes Hochleistungs-Aggregat kommt auch im 918 Spyder zum Einsatz. In Le Mans hat es mehr als 24 Laufstunden am Limit ohne Zwangspausen überstanden.

In einer Presseerklärung vom 28. September 2006 wird für den V8 mit 90 Grad Zylinderbankwinkel eine Leistung von 503 PS bei 10.300/min angegeben. Erst am 31. Juli 2008 folgt die Einführung der Benzin-Direkteinspritzung, die laut offizieller Verlautbarung noch einmal 27 PS freisetzt. Doch nach wie vor werden 503 PS als Gesamtleistung angegeben – die Sportpolitik fordert Zurückhaltung. Am Horizont zeichnet sich weiteres Steigerungspotenzial ab. In der Formel 1 darf ab 2009 so genannte KERS-Technologie verwendet werden. Hinter dem Begriff KERS (in voller Länge Kinetic Energy Recovery System) verbirgt sich ein System zur Rückgewinnung und Speicherung von Bremsenergie, die beim Beschleunigen während 6,5 Sekunden (Durchschnittswert) zusätzlich zur Leistung des V8-Motors zur Verfügung steht. Es wäre naheliegend, diese Innovation auch auf den V8-Motor des RS Spyder anzuwenden. Doch das sieht das Reglement nicht vor. Noch nicht. Porsche muss einen Umweg einschlagen, um den ausgereiften Motortyp MR6 mit der KERS-Idee zu vereinen. Eigentlich sind es zwei Umwege, der erste wird am 11. Februar 2010 bekannt. Der 911 GT3 R Hybrid soll wenig später, am 2. März 2010, auf dem Genfer Salon seinen Einstand geben. In Wirklichkeit dient der Elfer mit dem bei Williams Hybrid Power im englischen Grove ursprünglich für die Formel 1 entwickelten Energie-Rückgewinnungssystem als Wellenbrecher für den 918 Spyder. Michael Macht, Vorsitzender des Vorstandes der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG, stellt ihn am 1. März 2010 in Genf vor. Die Sensation ist perfekt, obwohl es sich bei dem Hochleistungs-Sportwagen um eine Studie handelt. Bis auf weiteres. Ein elektrischer Vorderachsantrieb mit drei Elektromaschinen ergänzt die mehr als 500 PS des V8 in Mittelmotor-Anordnung. Der 911 GT3 R Hybrid kommt mit zwei Elektromaschinen aus.

Das Echo auf den 918 Spyder ist riesig. Daher fällt am 28. Juli 2010 im Aufsichtsrat der Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG der Beschluss, ein Serienfahrzeug in Weissach zu entwickeln und in limitierter Stückzahl in Zuffenhausen zu produzieren. Unklar bleibt, ob es sich um eine offene oder geschlossene Ausführung handeln wird – oder um ein Konzept wie das des Carrera GT mit einlegbaren Dachhälften. Niemand ahnt, was am 10. Januar 2011 zusätzlich kommen wird, nämlich ein Vollcoupé mit Türen, die in die Dachpartie übergehen und damit eine Zeitepoche zitieren. In der Zwischenzeit schickt Porsche den 911 GT3 R Hybrid an die Front, um das gewählte Energie-Rückgewinnungssystem im Gespräch zu halten. Auf der Nürburgring-Nordschleife, in Le Mans, Road Atlanta und Zhuhai kommt es zu teilweise spektakulären Auftritten. Auf dem Eifelkurs triumphiert der Technologieträger um Haaresbreite. Und als auch noch die deutsche Formel-1-Hoffnung Nico Hülkenberg drei öffentliche Testrunden in der "Grünen Hölle" drehen darf, kommt Begeisterung auf. Dabei ist vieles anders im orange-weißen Porsche. Anstelle der in Hybrid-Straßenfahrzeugen üblichen Batterien liefert ein elektrischer Schwungradspeicher, der im Innenraum neben dem Fahrer untergebracht ist, die Energie für die Elektromotoren. Der Schwungradspeicher ist eine Elektromaschine, deren Rotor sich mit bis zu 40.000/min dreht und die Energie mechanisch in Form von Rotationsenergie speichert. Aufgeladen wird der Schwungradspeicher bei Bremsvorgängen, wenn die beiden Elektromaschinen an der Vorderachse ihre Funktion umkehren und als Generatoren arbeiten. Aus dem geladenen Schwungradspeicher kann bei Bedarf – also beim Beschleunigen aus Kurven heraus oder während Überholvorgängen – Energie abgerufen werden. Die daraus resultierende "Push-to-Pass“-Funktion gleicht einem zeitweiligen Allradantrieb, da die Vorderachse in den Kraftfluss mit einbezogen wird.

Die Zusatzleistung kann jedoch auch abgerufen werden, um Tankintervalle zu verlängern und genau an dieser Stelle setzt der 918 Sypder an. Trotz gesicherter 500 PS überraschen eine CO2-Emission von 70 Gramm pro Kilometer und der Verbrauch von 3,0 Litern auf 100 Kilometern! Solche Spitzenwerte ermöglicht natürlich nur die Hybrid-Technologie - da ist es wieder, Ferdinand Piëchs Drei-Liter-Auto, nur eben nicht mehr im Büchsenformat des VW Lupo. Die neue Segnung kann natürlich auch anders, nämlich – einem Turbo gleich – die Leistung des 3,4-Liter-Achtzylinders aus dem RS Spyder potenzieren. Am 10. Januar 2011 werden in Detroit für den letzten Entwicklungsstand 563 PS bei 10.300/min angegeben. Diese Zahlen beziehen sich freilich nicht auf den straßentauglichen 918 Spyder, sondern auf das rollende Rennlabor, den 918 RSR – dazu mehr in dieser Ausgabe! Auf der Straße sind Nockenwellen und Elektronik-Mappings, wie man sie auf der Rennstrecke benötigt, freilich keine probaten Mittel. Darum wird sich die PS-Zahl der Kundenversion im Bereich der 503 einpendeln – jener inzwischen legendären Leistungsangabe für den RS Spyder. Beim derzeitigen Erfolg der Porsche-Kleinserien – 911 Sport Classic und neuer Speedster waren in Windeseile ausverkauft – dürfte auch der 918 seine Klientel für sich gewinnen. Er spricht für sich, wie sich am 4. Oktober 2010 herausstellt. Alles an der im Porsche Museum gezeigten Studie elektrisiert, da und dort unterbrechen grüne Blitze das atemlose Staunen. Sie markieren Anschlüsse, an denen Strom fließt. Bei einem Plug-in-Hybrid kann die Batterie am Stromnetz aufgeladen werden. Im Song, nein, der Hymne von Electra, jener hypermodernen E-Lok aus dem Erfolgsmusical Starlight Express, heißt es: "Ich bin elektrisch, ich bin gefährlich. Denn ein Schlag von mir kann Herzen sehr schaden!" Und weiter: "AC/DC ist okay für mich – gleich dreht sich mein Strom und wechselt sich!" Mit diesem Refrain ist keinesfalls die australische Rock-Formation der in Schottland geborenen Brüder Angus und Malcolm Young gemeint. AC/DC - das meint Gleich- und Wechselstrom. Porsche nimmt sich dieses Themas an und verfolgt damit vielfältige Absichten: Im Sportwagenbau sind Höchstleistung und Umwelt keine Widersprüche mehr, im Motorsport verleiht Hybrid zusätzlichen Schub oder spart Benzin, je nach Bedarfslage.

"Porsche Intelligent Performance" besetzen die schlauen Schwaben als Marke. Mit dem Cayenne Hybrid wird der Bogen zur Großserie geschlagen, mit dem 918 RSR zur ruhmreichen Renngeschichte. Besonders Le Mans ist ein Fleck auf der Landkarte, über den wieder laut gesprochen werden darf. Nach Triumph und (an-)geordnetem Rückzug 1998 ist zehn Jahre lang Sendepause. 2008 kehrt der RS Spyder an die Sarthe zurück, 2009 rollt er noch einmal mit. 2011 wäre niemand überrascht, wenn der 918 RSR bei den 24 Stunden von Le Mans starten dürfte. Wie das funktionieren soll. lesen Sie im Vorwort dieser Ausgabe.

Epilog. Im November 2010 erfahren wir von einem in London lebenden Iraner, er habe sich um einen der kommenden 918 Spyder bemüht. Wir fragen Hans-Gerd Bode, Leiter Öffentlichkeitsarbeit und Presse, nach dem Stand der Dinge. Am 4. Dezember 2010 erhalten wir die folgende Antwort (Zitat): "Die Bestellbarkeit des 918 Spyder ist noch nicht gegeben. Die Interessenten konnten bislang eine Absichtserklärung abgeben. Weitere Maßnahmen werden dann gegeben sein, wenn die Preise, Produktdetails, Produktionsdatum, et cetera feststehen. Das wird aber erst gegen März/April 2011 der Fall sein." Am 18. Januar 2011 fügt Thomas Becki, Leiter Produkt- und Technikpresse, hinzu (Zitat): "Das Fahrzeug kann voraussichtlich noch im ersten Quartal 2011 bestellt werden. Bislang haben rund 2.000 Personen Interesse an einer Bestellung gezeigt. Tatsächlich bestellt oder gar verkauft ist aber noch kein Fahrzeug." Das Signal an jene, die zu investieren gedenken, ist gesetzt. Es lautet: Bald erfolgt das Startsignal! Fast wie beim Rennen der internationalen Züge, das eine Kinderstimme ankündigt. "Hier ist Control!", vermeldet sie seit 22 Jahren beim Starlight Express in Bochum. 22 – eine magische, am 10. Januar 2011 in Detroit in Erinnerung gerufene Porsche-Zahl...

Von: Carsten Krome, Fotos: Carsten Krome

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