Replika des 911 S 2.2 von Raymond Touroul (GT-Klassensieger 24 Stunden von Le Mans 1971, Heidl-Aufbau eines 1971er 911 S 2.2), Foto: Carsten Krome
Replika des 911 S 2.2 von Raymond Touroul (GT-Klassensieger 24 Stunden von Le Mans 1971, Heidl-Aufbau eines 1971er 911 S 2.2), Foto: Carsten Krome
Replika des 911 S 2.2 von Raymond Touroul (GT-Klassensieger 24 Stunden von Le Mans 1971, Heidl-Aufbau eines 1971er 911 S 2.2), Foto: Carsten Krome
Replika des 911 S 2.2 von Raymond Touroul (GT-Klassensieger 24 Stunden von Le Mans 1971, Heidl-Aufbau eines 1971er 911 S 2.2), Foto: Carsten Krome
Replika des 911 S 2.2 von Raymond Touroul (GT-Klassensieger 24 Stunden von Le Mans 1971, Heidl-Aufbau eines 1971er 911 S 2.2), Foto: Carsten Krome
PORSCHE SCENE Collection // unsere Lieblingsgeschichten
Porsche 911 S (Baujahre 1967 bis 1972): das Spitzenmodell
PORSCHE SCENE 03 (März) 2005: Story "Ein ausgeprägter Charakter" über eine Replika des 911 S 2.2 von Raymond Touroul (GT-Klassensieger der 24 Stunden von Le Mans 1971, Heidl-Aufbau eines 1971er 911 S 2.2)
1971 siegte der französische Privatier Raymond Touroul bei den 24 Stunden von Le Mans in der GT-Kategorie. Sein Fahrzeug: ein verbreiterter 911 S. Ein Düsseldorfer Gastronom griff das Stückchen Sportgeschichte auf und ließ es im eigenen Porsche aufgehen. Der ist auf den Produktionsmonat August desselben Jahres zurückzuführen. Damals betrug der Hubraum 2.195 ccm, was einer Leistung von 180 PS bei 6.500/min entsprach. Sich wandelnde Regeln im Renngeschäft drängten zur Weiterentwicklung. Zunächst kam eine Zwischenstufe mit 2.380 ccm auf. Bei ihrer Konstruktion waren bereits Ausführungen von bis zu 2,7 Liter vorgesehen worden. So erschien im Herbst 1972 ein 2.687 ccm großes Kraftwerk im Carrera RS 2,7. Genau dieses Aggregat fand den Weg hinein ins Fahrgestell des besagten Rheinländers - Beispiel eines historisch wertvollen Technologie-Transfers!
Was Porsche auf den Namen “Carrera” tauft, ist traditionell mit überdurchschnittlich guter Fahrleistung gesegnet. So war es 1973 schon. Damals erschien der 911 Carrera RS als Ausbaustufe des 911 S mit einer Karosserie in Leichtbauweise, breiteren hinteren Radhäusern zur Aufnahme von Sieben-Zoll-Felgen und einem Heckspoiler auf dem Motordeckel. Dieser sollte bei höheren Geschwindigkeiten den Auftrieb um 75 Prozent herabsetzen. Durch Aufbohren von 84 auf 90 Millimeter betrug der Hubraum 2.687 ccm, was 210 PS entsprach. Sportgesetze hatten den Ausschlag zur Entwicklung des Carrera RS gegeben. Für Renneinsätze waren Spielregeln formuliert worden, die nur durch entsprechende Grundmodelle ausgenutzt werden konnten. Dieses Vorgehen ließ Sonderserien in genau vorgegebenen Stückzahlen entstehen. 500 Exemplare besiegelten die Zulassung, sprich: Homologation für internationale Wettbewerbe. Das galt auch für den Carrera RS. Trotz bescheidener Ausstattung geriet der Puristen-Porsche zum Verkaufshit, der sich 1.036-fach reproduzierte. Daraus erwuchs eine Legende, die auch vorherige Ausführungen befruchtete. Nachrüstung war möglich, weil die Konstruktion der Sechszylinder-Maschine von vornherein Erweiterungen auf bis zu 2,7 Liter vorsah.
Ein Beispiel für diesen Technologie-Transfer erhellt den Tag in Blutorange und gehörte zuletzt einem Düsseldorfer Gastronom. Kürzlich erst hat sich Helge nach 15 gemeinsamen Jahren vom Elfer getrennt, um aufzuräumen für einen RSR 3,0. Eine Ergebnisliste des 24-Stunden-Rennens von Le Mans hatte ihn inspiriert. 1971 nämlich war es dem Franzosen Raymond Touroul gelungen, die GT-Kategorie im verbreiterten 911 S zu gewinnen. Also sicherte sich der Rheinländer einen Zeitzeugen aus dem August desselben Jahres! Doch dem 911 2,2 S fehlte nach Diebstahl und anschließendem Leben im Untergrund der Original-Treibsatz. Der Zufall ließ Helge in die Arme eines einstigen Mitschülers laufen: Roland Heidl. Ihn bei dieser Gelegenheit vorzustellen, wäre müßig. “Muss ich mal im Lager nachsehen”, grübelte der Betreiber einer Fachwerkstatt und wurde fündig. Einen RS-Boxermotor mit 210 PS aus 2.687 ccm förderte Heidl zutage, dazu ein Fünfgang-Getriebe des seinerzeit eingeführten Typs 915. Beides erhielt eine Generalüberholung, die mechanische Kugelfischer-Beinzineinspritzung eine Feinjustierung. Für den authentischen Klang verantwortlich: die Abarth-Vierrohr-Auspuffanlage. Kerzengerade treten deren Endrohe aus dem Heckblech heraus. Sie verbreiten ein Getöse, so als wäre Vic Elford noch ein junger Stenz.
Bei 940 Kilogramm Gewicht war höchste Agilität zu erwarten! Für Wettbewerbe hatten Sportbehörden den 911 S eigentlich mit 995 Kilogramm eingestuft. Wie weit sich dieser Wert unterbieten ließ, zeigte 1970 der 789 Kilogramm wiegende Rallyewagen von Gérard Larrousse. Seltenste Materialien ermöglichten die Erleichterung. Viele dieser Erkenntnisse flossen auch in Helges Renner ein, zum Beispiel eine Motorhaube aus Aluminium. Die kommt ohne den berühmten “Entenbürzel” aus, obwohl eine fertig lackierte Vollversion bereitsteht! Die Erklärung liegt auf der Hand: Ohne zusätzlichen Anpressdruck ist die Fahrt bei 200 km/h und mehr ein besonderes Erlebnis. Dass gelegentlich Lenkkorrekturen notwendig werden, versteht sich von selbst! Denn auch die Bereifung bescheidet sich vorn mit der Dimension 205/50-15 und hinten mit 225/50-15. Trotzdem mussten an der Hinterhand Verbreiterungen auf Stoß angeschweißt werden, um acht Zoll breite Felgen in den Radhäusern unterbringen zu können. Theoretiker mögen sich bitte vorstellen, dass am Momo-Volant so kundige wie grifffeste Hände gefordert sind! Laut Tachometer-Anzeige sind 250 km/h drin. Bereinigt dürfte sich das maximale Tempo um zehn Sachen vermindern. Einen nachträglichen Einfluss könnten zudem die zwei Cibié-Scheinwerfer vorn auf der Gepäckraumhaube ausüben.
In Le Mans gehörten sie einfach dazu! Damit schließt sich der Kreis, worauf ein blauer Scheibenaufkleber hinweist. Er zitiert jene 24 Stunden von Le Mans 1971, die Porsche mit dem 917-Coupé dominierte. Bahnbrechend war an diesem Achtzylinder-Boliden unter anderem die Bremsanlage gewesen. Zupackende Aluminium-Sättel wurden zu einem Standard, etwas modernere an Helges Liebling. “Die Reaktionen auf dieses Auto sind durchweg positiv”, weiß der Ex-Eigentümer zu berichten, “die Leute strecken den Daumen nach oben, wenn sie es sehen. Dieses Flair, dieser Charme sind nur schwer zu übertreffen. Komisch ist, dass diesem Porsche der sonst typische Hauch von Luxus nicht anhängt”. Es mag daran liegen, dass das Bild des Sportwagen-Besitzers in jenen Jahren vom legeren Erfolgstyp geprägt wurde, weniger vom Neuzeit-Macho. Zurzeit feiert dieser Wesenszug Wiederauferstehung, was nicht nur unsere Pop-Musik erkennen lässt. Der leicht-lockere Takt der frühen Siebziger reißt die Menschen wieder mit und dazu gehören eben auch ihre Autos! Dass rostfreie Leichtbau-Preziosen 50.000 Euro und mehr erlösen, sollte unstrittig sein. Dass sie ihr Geld bis auf den letzten Heller wert sind, ebenso. Das dürfte auch derjenige junge Mann bestätigen, der nun in Helges Hinterlassenschaft sitzt. Selbst im August 1971 geboren, träumte er jahrelang von diesem Typ in Blutorange!
Wie es die Fügung wollte, stieß er im Spätsommer 2004 auf eine zwar nicht billige, schlussendlich aber günstige Gelegenheit. Denn wo sind sie sonst noch zu finden, die Charaktäre vom alten Schlag? Dass sie von Schattenseiten nicht frei sind, liegt in ihrer Natur begründet. Wer die modernen Dinosaurier meistern will, benötigt Abstand vom Gedankengut der Techno-Generation. Früher war die Welt zwar nicht besser, aber mindestens genauso (er-) lebenswert wie heute!
Von: Carsten Krome
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