Klaus Ludwig, Joest-Porsche 956.117, Le Mans 1984, Foto: Carsten Krome
Klaus Ludwig, Joest-Porsche 956.117, Le Mans 1984, Foto: Carsten Krome
Klaus Ludwig, Kremer-Porsche 935 K3, DRM 1979, Foto: PORSCHE SCENE Newsroom
Klaus Ludwig, Kremer-Porsche 935 K3, DRM 1979, Foto: PORSCHE SCENE Newsroom
Klaus Ludwig, Kremer-Porsche 935 K3, DRM 1979, Foto: PORSCHE SCENE Newsroom
Ex-Le-Mans-Sieger Klaus Ludwig im PORSCHE SCENE-Interview (zweiter Teil)
"Es kam mir vor wie im Krieg. Dein Kumpel wird erschossen und Du machst weiter!"
(Aufgezeichnet am 6. Oktober 2010)
Zweiter Abschnitt unseres Exklusiv-Interviews mit Klaus Ludwig, dem dreifachen Sieger der 24 Stunden von Le Mans. 1983 stieg der Bornheim-Roisdorfer erstmals in einen Porsche 956, Ende 1988 zog er sich aus der Gruppe C zurück und widmete sich ganz den DTM-Tourenwagen. Wie kaum ein anderer Überlebender dieser Ära – von Hans-Joachim Stuck einmal abgesehen – prägte er die Prototypen-Epoche. Wie er Triumphe und Tragödien erlebte, schildert der heute 61-Jährige so unverblümt wie hautnah.
PORSCHE SCENE: "Klaus Ludwig, im August und September 2010 jährten sich die tödlichen Unfälle von Manfred Winkelhock und Stefan Bellof zum 25. Mal. Viele Geschichten sind noch einmal hochgekommen, nicht zuletzt dank dieses Magazins. Sie waren in der damaligen Gruppe C einer der beherrschenden Fahrer. Beim 1.000-Kilometer-Rennen von Spa-Francorchamps, das Stefan Bellof zum Verhängnis wurde, erreichten Sie und Paolo Barilla den dritten Platz. Wie haben Sie die dramatischen Ereignisse geprägt?"
Klaus Ludwig: "Ganz grundsätzlich ist festzuhalten, dass die gesamte Berichterstattung nicht optimal war. Es ist nicht wirklich herausgearbeitet worden, was losgewesen ist. Auf das 1.000-Kilometer-Rennen an sich bezogen - die Gruppe C war ja eine Verbrauchsgeschichte. Wir waren in Spa-Francorchamps mit einer konservativen Strategie unterwegs, um Benzin zu sparen. Am Anfang waren wir Vierte oder Sechste, ganz genau weiss ich es nicht mehr. Woran ich mich hingegen noch genau erinnere, ist mein Fahrerwechsel an Paolo Barilla. Ich stieg aus, er stieg ein, und plötzlich hörte ich diesen Knall."
P.S.: "Sie sprechen auf Stefan Bellofs Unfall an?"
K.L.: "Es kam mir vor wie im Krieg. Dein Kumpel wird erschossen und Du machst weiter, weil es Dein Auftrag ist. Ja, wir sind Dritte geworden, aber was zählte das an diesem Tag?"
P.S.: "Sie haben sich mit Stefan Bellof zwar nie als Teamkollege ein Auto geteilt, ihn aber oft genug im Fahrerlager erlebt. Wie würden Sie ihn charakterisieren?"
K.L.: "Stefan war ein großes Kind. Er gab Gas wie kein anderer. Er mochte ganz einfach die Rennerei und hatte mit Klaus Bischof bei Porsche einen wichtigen Fürsprecher. Er ließ sich nicht nur bei seinen Werkseinsätzen sehen."
P.S.: "1986 kam es in Le Mans zum tödlichen Unfall Jo Gartners. Daraufhin haben speziell Sie in Le Mans zeitgemäße Sicherheitsvorkehrungen eingefordert und als dreifacher Sieger damit gedroht, der Veranstaltung fernzubleiben. Trotzdem sind Sie der Gruppe C bis Ende 1988 treu geblieben."
K.L.: "Die Gruppe-C-Ära war insgesamt geprägt von einem – sagen wir – schlechten System. Ich will da nur das Beispiel des PDK-Getriebes nennen, das Hans-Joachim Stuck im Sport-Auto-Supercup 1986 exklusiv zur Verfügung stand. Dank dieser Technologie hatte er beim Schalten nicht den üblichen Ladedruckabfall. Wir Idioten dagegen haben mit unseren H-geschalteten Getrieben konventionell gekuppelt, logischerweise mit Ladedruckabfall – und von vornherein keine Siegchancen gehabt."
P.S.: "War das die einzige materielle Ungleichheit? Rein äußerlich sahen sich die Porsche 956 und 962 bis auf die Sponsorfarben alle sehr ähnlich!"
K.L.: "Es gab noch so ein Beispiel: Wir bei Joest-Racing verwendeten ein Bugteil aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff, das sein Eigengewicht hatte. Andere Porsche-Kundenteams bauten dieses Bugteil bereits in Kevlar nach und hatten an der Vorderachse natürlich einen Vorteil."
P.S.: "Goodyear und Dunlop beherrschten den Reifenmarkt zu dieser Zeit, Michelin kam 1986 dazu. Welche Rolle spielte die Reifenwahl?"
K.L.: "Besonders in Le Mans eine ganz entscheidende! Wenn man einen Reifen mit günstigerem Rollwiderstand erwischte, konnte man den Turbo-Ladedruck etwas zurückdrehen und sparte bei gleicher Geschwindigkeit Benzin. Das war's eben."
P.S.: "1984 und '85 haben Sie mit dem Joest-Porsche 956.117 zweimal das berühmte 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewinnen können, jeweils auf Dunlop-Reifen. 1986 hatte es zunächst den Anschein, als würden Sie auf Goodyear das Triple schaffen. Statt dessen sicherte sich Hans-Joachim Stuck seinen ersten Triumph - wie kam es zu dieser Wendung?"
K.L.: "Auslöser war Jo Gartners tödlicher Unfall nachts gegen drei Uhr. Anschließend ist das Starterfeld zweieinhalb Stunden lang hinter dem Safetycar um den Kurs herum geführt worden. Es war relativ kühl in dieser Nacht, die Temperatur in unserem Kühlsystem fiel immer weiter ab. Wir waren mit maximal 100 km/h auf einer Strecke unterwegs, auf der ich im Training mit 374 km/h gestoppt worden war. Als das Rennen schließlich wieder freigegeben wurde, ich voll beschleunigte und die Temperaturen schlagartig anstiegen, brach ein Wasserrohr. Damit waren wir raus."
P.S.: "Zwei Jahre später kamen Sie mit dem Porsche-Werksteam nach Le Mans und unterlagen Jaguar!"
K.L.: "1988 war ich wahnsinnig enttäuscht, weil es da diese Geschichte mit dem Catchtank gab, der uns das Rennen kostete."
P.S.: "Was genau ist damals passiert?"
K.L.: "Unser Auto war flammneu, so auch der Tank. Dieser war von innen mit einem schwammähnlichen Gebilde gefüllt, was Vorschrift war. Dieser sogenannte Tankschaum zerbröselte allerdings und setzte den Catchtank zu, so dass dieser nicht die erforderliche Benzinmenge aufnehmen konnte. So kam es zu der vieldiskutierten Situation, dass mir kurz nach dem Passieren der Boxeneinfahrt der Sprit knapp wurde und ich im Bummelzugtempo die Runde hinter mich bringen musste. Der schnellste Jaguar hat das natürlich ausgenutzt. Und das war die Entscheidung."
P.S.: "Existierte im Cockpit keine Warnanzeige, dass es mit dem Sprit knapp werden würde?"
K.L.: "Doch! In den Porsche 956 und 962 war die Tankanzeige sogar sehr simpel gelöst - es gab eine weiße Lampe. Wenn die aufleuchtete, drückte man den Schalter für den Catchtank und hatte dann noch Sprit für exakt eine Runde. Genau darin lag ja das Problem. Ich bin ahnungslos in die Falle gelaufen."
P.S.: "1988 verwendete das Porsche-Werksteam bereits eine modernere Motorsteuerung, nämlich die Bosch-Motronic MP1.7. Im Tourenwagen-Bereich war es damals möglich, dieses Steuersystem mit einer Datenfernübertragung - einer Telemetrie - zu kombinieren. War man an der Box über Ihre Situation tatsächlich nicht informiert?"
K.L.: "Als es bereits einen Tick zu spät war, die Boxeneinfahrt noch zu erwischen, erhielt ich einen Funkspruch von Peter Falk, dem damaligen Porsche-Rennleiter. Er wies mich wörtlich an: 'Herr Ludwig, fahren Sie sofort an die Box!' Dafür war es aber schon zu spät. In der Analyse des Rennens fanden wir heraus, dass der Kraftstofffilter vor dem Catchtank vollgestopft mit zerbröseltem Tankschaum war."
P.S.: "Belastete das verlorene Rennen Ihre Beziehung zum Porsche-Werksteam?"
K.L.: "Das Porsche-Entwicklungszentrum Weissach ist für mich nach wie vor die beste Denkfabrik der Welt! Der Kontakt ist immer noch super, außerdem war ich nach den 24 Stunden von Le Mans mit dem Werks-962 C im Würth-Supercup unterwegs. Das war ein tolles Bild – Hans Joachim Stuck und ich jeweils auf einem Werkswagen!"
P.S.: "1989 wechselten Sie zu Mercedes-Benz und konzentrierten sich voll und ganz auf die Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft. Welches Fazit haben Sie damals nach Ihren Porsche-Jahren gezogen?"
K.L.: "Auf Porsche 935, 956 und 962 war der Ludwig nicht so schlecht, finde ich!"
P.S.: "Vor einigen Jahren kehrten Sie noch einmal ins Porsche-Cockpit zurück und bestritten mit Jürgen Alzen Motorsport das 24-Stunden-Rennen Nürburgring. Seit 2008 sind Sie nicht mehr mit von der Partie - war's das endgültig für Sie?"
K.L.: "Was die Nordschleife bei Nacht betrifft, eindeutig ja! Du findest einfach die innere Einstellung nicht mehr. Beim Jürgen Alzen hatten wir zum Schluss 557 PS aus einem Vierlitermotor zur Verfügung. Mit einer solchen Waffe in der Dunkelheit mit 200 anderen Fahrzeugen unterwegs zu sein, ist so ziemlich das heißeste, was man sich im Motorsport vorstellen kann. Ich brauche das nicht mehr."
P.S.: "Wenden wir uns der Gegenwart zu! Sie sind heute der Anchorman des Technik-Ausschusses, der das Reglement des 24-Stunden-Rennens Nürburgring überwacht. Wie schätzen Sie die augenblickliche Situation und vor allem den Erfolg der FIA-GT3 ein?"
K.L.: "Ich stehe mit den Verantwortlichen der Hersteller, auch mit Jürgen Klauke, der bei Porsche für die Homologationen zuständig ist, in andauerndem Kontakt. Es geht darum, so unterschiedliche Konzepte wie den Porsche 911, Mercedes SLS AMG oder Audi R8 auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Logischerweise ist diese Aufgabe nicht einfach, weil jeder für sich selbst das Maximum herausholen will."
P.S.: "Ihren engen Kontakt zu den Automobil-Herstellern haben Sie erwähnt. Was dürfen wir von der Zukunft des Werkssports erwarten?"
K.L.: "Die Zukunft gehört eindeutig der Hybrid-Technologie. Das ist Wille der FIA in Paris. Porsche hat in dieser Beziehung Zeichen gesetzt. Ich bin mir allerdings nicht ganz sicher, ob diese Technologie für Kundenteams nicht doch zu teuer wird. Es ist ganz einfach mit einem gewissen Aufwand verbunden."
P.S.: "Vielen Dank für dieses aufschlussreiche Gespräch!"
Von: Carsten Krome
Sie sind nicht angemeldet. Nur angemeldete User können Kommentare schreiben und beantworten.
Zur kostenlosen Registrierung geht´s im Bereich Community.
Bereits registriert? Dann melden Sie sich über das Formular in der linken Spalte an und schreiben Sie hier Ihren Kommentar!