Nr. 5 bebt!


Mit der Kraft eines 3.8 RSR – 1991er 911 Carrera 2


Wer auf die Formen des Ur-Elfers steht, sich jedoch nicht mit dessen technischem Stand anfreunden kann, der kommt bei einem Retro-Elfer ohne Frage auf seine Kosten. Zumeist handelt es sich dabei um synthetisch gealterte 964er mit der Performance eines modernen Sportwagens und den traumhaften Formen eines Klassikers. Kein neuer Trend, zugegeben, aber einer, der sich mittlerweile einen festen Platz in der Porsche-Fangemeinde gesichert hat und der sich nach wie vor großer Beliebtheit erfreut. Einer der heißesten „jungen Alten“ stammt aus der Feder von Detlef Schmuda. Mit sandbeigefarbenem Lack, einem Outfit à la 911 ST und RS sowie einem rassigen 3.8er-Antriebsstrang nebst pistentauglichem Sportfahrwerk verdreht dieser Porsche nicht nur Kennern den Kopf!
„Long live the 911 – Lang lebe der 911“ – mit diesen Worten schließt Rob Dickinson die Begrüßung auf seiner Homepage „Singer Vehicle Design“. Das Herz von Freunden des 911-Retro-Trends dürfte angesichts dieses Namens im Nu ein paar Umdrehungen schneller schlagen. Aus gutem Grund, denn seit 2009 hat sich der amerikanische Karosserie-Couturier Singer mit seinem Team dem Bau von Retro-Elfern im Stile des klassischen F-Modells verschrieben. Ein Blick auf die bis dato realisierten Schätze des im kalifornischen Los Angeles ansässigen Unternehmens begeistert nicht nur Porsche-Fans.
Bei aller Begeisterung für die deutschen Traumwagen aus Übersee gibt es nur ein Manko: Sie würden hierzulande keine TÜV-Zulassung erhalten. Was nicht bedeuten soll, dass die Porsche-Heimat Deutschland deshalb auf synthetisch gealterte Elfer mit dem Kern eines modernen Sportwagens verzichten müsste. Im Gegenteil. Auch in unseren heimischen Gefilden hat sich ein kleiner Kreis von Enthusiasten gefunden, der sich des Themas ´Retro-911´ angenommen hat. Einer von ihnen ist der im Ländle beheimatete Porsche-Enthusiast Detlef Schmuda. „Derartige Umbauten geben dir die Möglichkeit, augenscheinlich einen Oldtimer zu fahren, der jedoch eine neuzeitliche Performance an den Tag legt. Das gefiel meinem Sohn – der mich eigentlich erst mit dem Porsche-Virus infiziert hat – und mir dermaßen gut, dass wir beschlossen, selbst ein solches Fahrzeug zu bauen.“
Aufgrund der bereits erwähnten mangelnden Zulassungsfähigkeit der Singer-Umbauten waren Vater und Sohn Schmuda zur Eigeninitiative gezwungen. Aus dieser vermeintlichen Not heraus, begannen Deflef Schmuda und sein Sohn bereits 2010 damit, Umbauten auf Basis von Porsche 964 Coupés zu realisieren. „Das war auch die Geburtsstunde des Labels RSVT Stuttgart“, verrät Detlef, „was ´RennSport Vintage Tech Stuttgart´ bedeutet.“ Unter Mitwirkung von Experten wie dem Overrather Porsche-Profi dp Motorsport oder der Firma KLM aus Magstadt entstand unter jenem Label noch im gleichen Jahr eine F-Typ-Hommage im Stil des 911 S 2,5 aus dem Modelljahr 1972 auf Basis eines Porsche 911 (964) Carrera 4. Wenig später legten Vater und Sohn Schmuda dann kräftig nach. Vintage-Elfer Nummer zwei war ein Umbau im Stil des Carrera RSR von 1973, jener für den Rennsport eingeleiteten Evolutionsstufe des Carrera RS 2,7.
Nummer drei, ein indischroter 964 C2 im 73er RSR-Look mit 3,6-Liter-Motor und sportlich-komfortabler Ausstattung wurde bald darauf gefertigt und als Daily Driver eingesetzt. „Auto Nr. 4 war ein signalorangefarbener 911 S 2.2, der in einen zeitgenössisch korrekten S/T 2.3 mit 3.0 L-RSR-Motor umgebaut wurde. „Der Wagen war nur 900 Kilo schwer und etwa 300 PS stark. Das war purer Rennsport mit Straßenzulassung“, erinnert Schmuda sich.
Mittlerweile bei RSVT-Elfer Nummer 5 angekommen, dürfte Detlef seinen bislang besten Elfer auf die Räder gestellt haben. „Auf jeden Fall einen der heißesten“, charakterisiert Detlef mit dezentem Augenzwinkern. „Wir haben den Wagen im August 2014 gekauft. Ein sehr gut erhaltener 1991er Carrera 2 mit frisch revidiertem Motor, ohne Schiebedach, ohne Heckwischer und mit Lack im zeitgenössischen Veilchenblau-metallic, grauweißem Interieur und 115.000 Kilometern auf der Uhr.“ Ziel des Umbaus von Nummer fünf war es, von allem nur das Beste zu verarbeiten und einen ganz besonderen Porsche zu kreieren. „Unser Motto lautete: Maximale Leistung alltagstauglich abstimmen, um das Auto täglich genießen zu können“, reflektiert Schmuda den Anspruch an sein jüngstes Werk.
Objektiv betrachtet, dürfte der Plan ohne Wenn und Aber aufgegangen sein. Beispiel Karosserie: Der Umbau auf Retro-Look im Stil des F-Modells sollte sich stark am 911 ST, beziehungsweise dem 911 RSR orientieren. Um ein tadelloses Ergebnis zu erzielen, ist der 911 sicherheitshalber komplett zerlegt und seine Karosserie kernsaniert worden. Beim anschließenden Neuaufbau ließ Detlef Schmuda zahlreiche Neuteile einfließen, um den klassischen Look zu realisieren. Darunter die vordere Haube, Kotflügel, Seitenteile und Stoßstangen aus Carbon/Kevlar sowie einen abgeflachten und ausfahrbaren Heckspoiler mit Lüftungsgitter vom Ur-Elfer, Karosserieverbreiterungen von DP-Motorsport aus Carbon/Kevlar und Rückleuchten vom F-Modell. Lediglich das Dach, die Türen und der Heckdeckel aus Stahl blieben im Originalzustand.
Während die einst veilchenblau-metallic lackierte Karosserie ihr neues Farbkleid im 1968er Ton Sandbeige (Farbcode 6807) erhielt, ging es ein paar Kilometer entfernt bereits dem neuen Motor des Porsches an den Kragen. Anstelle des originalen 3.6er-Triebwerks ließ Detlef einen 6-Zylinder-Boxer nach dem Vorbild des 911 Carrera 3.8 RSR von Ewald Schärtl aufbauen. Dank hochwertiger Komponenten, wie z.B. einer überarbeiteten Kurbelwelle und verbesserten Pleueln sowie Kolben vom 3.8 RSR und Nockenwellen vom 3.0 Clubsport, revidierter Zylinderköpfe und weiteren High-End-Bauteilen (größere und überarbeitete Ventile, große Einspritzdüsen, großes zentrales Plenum mit 75er Drosselklappe, etc.), wuchtet der Saugmotor rund 340 PS auf die Kurbelwelle.
In Anbetracht eines Fahrzeuggewichts von 1.150 Kilogramm und einer Spitzengeschwindigkeit von über 270 km/h war es für Detlef zudem selbstverständlich, dass sowohl die Bremsanlage als auch das Fahrwerk nachhaltig angepasst werden mussten. Sowohl an der Vorder- als auch an der Hinterachse ist ein KW-Clubsport-Fahrwerk der Variante Drei verbaut worden. An der Vorderachse legte Detlef überdies eine Domstrebe vom 964 Cup nach. „Bei der Bremse haben wir uns für das System aus einem 964 RS entschieden. In unserem Fall sind allerdings etwas kleinere Bremsscheiben verbaut worden, damit die 15-Zoll-Fuchsfelgen montiert werden konnten.“
Ach ja, die Felgen: Echte Füchse – wie hier im Format 9 und 11 x 15 Zoll an der Vorder- und Hinterachse – mit griffigen Sportreifen (Michelin TB5R in 225/50 und 285/45-R15), stehen dem klassischen Elfer nach wie vor am besten! Sie sind aber nicht die einzigen Accessoires, die den neuen Alten zu einem Sportgerät mit Beauty-Look avancieren lassen. Auch die üppige Renn-Abgasanlage, eine Einzelanfertigung von M&M (2-flutige Fächerkrümmer, 2 x 100-Zellen-Edelstahlkatalysatoren, Endtopf mit großen Endrohren), lässt den Porsche deutlich kerniger dastehen als das damalige Serien-Pendant.
Rustikal mit einem Hauch Moderne geht es auch im Innenraum des Elfers von Detlef Schmuda zu. Ein Komplettumbau im Stil des Ur-911 (1965-1967) mit Bouclé-Teppich und RSR-Lollipop-Sitzen sowie einem Überrollbügel, alles bezogen in feinem Nappaleder, machen die Elfer-Pilotenkanzel ebenso sportlich wie authentisch. Zu einem der auffälligsten Eyecatcher zählt hier der Schaltstock aus der Rennversion des Porsche 911 (993) GT2. Mit ihm verwaltet Schmuda die fünf knackigen Gänge des optimierten G50-Schaltgetriebes mit Sperre vom GT3.
Ein weiteres, äußerst gelungenes Accessoire ist das nachgerüstete Retrosound-Model-2-Radio mit Telefon- und Freisprecheinrichtung im Stil des Becker-Mexico-Radios. „Auf längeren Strecken ist das auch mal ganz schön“, gibt Detlef zu Protokoll. „Wie schon erwähnt: Ich nutze den Elfer als Daily Driver und nehme mit ihm ohne Reuegefühle an Track-Days und Oldtimer-Veranstaltungen teil. So sind im ersten Jahr gut 16.000 Kilometer zusammengekommen. Am liebsten würde ich aus diesem Auto ohnehin nicht mehr aussteigen“, schwärmt Detlef. „Es birgt eine enorme Suchtgefahr für jeden, der schon mitgefahren ist! Allein wenn man Nummer 5 startet und die Erde anfängt zu beben, weiß ich: Gleich wird es spaßig!“

Von: Text: Marc Timmer, Fotos: Dominique Fourcade

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