1964er 356 C 1.600 SC Cabriolet

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771 Kilometer sind es von Stuttgart-Zuffenhausen nach Ivanec im Norden Kroatiens. Dort stand ein Fototermin mit dem Slowenen Franc Malgaj und dessen 1964 gebautem 356 C 1.600 SC Cabriolet auf der Agenda. Laut Routenplaner sollte die Strecke in sieben Stunden und 46 Minuten zu bewältigen sein - locker in einer Nacht also. Die Motivation lag auf der Hand: Neben Malgaj hatten sich Freunde aus der Steiermark angekündigt - einfach so, weil sie bis zum vereinbarten Treffpunkt "bloß zwei Stunden" fahren mussten. Und wieder zurück - macht vier Stunden und das unbeschreibliche Gefühl, dass der Mythos Porsche Menschen zusammenschweißt. Es wurde ein Kurztrip, der die Phantasie beflügelte. Können Sie sich bei Dunkelheit vorstellen, welche alpinen Traumlandschaften in einem schwarzen Sack verschwunden zu sein scheinen? Zum Glück war die Sonne längst wieder draußen, als es darauf ankam und wir zum Titelseiten-Shooting baten.

Stuttgart-Zuffenhausen, S-Bahn-Station direkt hinter dem Neuen Porsche Museum. Die Regionalbahnen in Richtung Stuttgart Hauptbahnhof verkehren hier im entspannten 30-Minuten-Rythmus. Die Abendsonne strahlt direkt in die illustre Museumswerkstatt hinein. Dort wird soeben der 1977 in Le Mans siegreiche 936 Spyder für seinen Auftritt bei den Porsche Days in Spa-Francorchamps durchgesehen. Doch was vor wenigen Minuten noch zum Greifen nah gewesen ist, trennen nun Bahngleise - mehr aber auch nicht. Es ist ein würdiger Abschluss unserer 2.000 Kilometer langen Reise mit dem Boxster Spyder. Der Endpunkt bleibt wie von selbst im Gedächtnis haften: Werk 1, Tor 1, keine weiteren Fragen! Beendet ist die Tour in Richtung Süden damit aber noch lange nicht. Im Gegenteil: Es geht weiter nach Süd(ost)en, vom Treffpunkt Stuttgart Hauptbahnhof in einer Nacht nach Kroatien. Im Norden dieses Landes ist ein Treffen mit Porsche-Freunden ausgemacht. Der gemeinsame Nenner mit dem Boxster Spyder: Dächer aus Stahlblech haben auch ihre Porsche, ein 964 Speedster und ein 1964er 356 C 1.600 SC Cabriolet, nicht. Das Wetter soll frühlingshaft sein, heißt es. Im ehemaligen Jugoslawien ist das keine Selbstverständlichkeit. Die Winter dort können hart werden, noch viel härter als das, was wir bis vor wenigen Monaten hier bei uns beklagten. Die erste 24-Stunden-Schicht des Jahres 2010 also, mit den Eindrücken des Boxster Spyder im Hinterkopf und einer ungewöhnlichen Fotoproduktion vor Augen. Am nächsten Tag schon soll alles über die Bühne gehen.

Der Fahrdienst, der 480 Kilometer weiter nördlich den Trip nach Kroatien begonnen hat, ist pünktlich in Stuttgart eingetroffen und durch eine Nacht ohne nennenswerte Ereignisse gedieselt. Ein wenig schade ist es schon, Ferienziele Österreichs allenfalls dank einiger Riesenposter an den Raststätten erahnen zu können. Auf den Plakaten grüßen von der Sonne bestrahlte Felsmassive, die bei Nacht in einem schwarzen Sack verschwunden zu sein scheinen. Warum kurz vor Graz ein Autohof mit dem ortsuntypischen Namen Deutschfeistritz auftaucht, bleibt unklar. Immerhin rückt nun die österreichisch-slowenische Grenze näher. Die Idee besteht darin, ausgewählte Abschnitte der "Crossboarder-Rallye" des Porsche Club Steiermark, des Porsche klub Slovenija sowie des ungarischen Porscheclub Pannonia zu befahren. Im Morgengrauen zwar, aber man will halt mal dort gewesen sein! Die Porsche-Freunde, die um zwei Uhr mittags am Fuße des kroatischen Berges Ivanščica warten werden, gehören mindestens einem dieser Porsche Clubs an. Im Mehrländereck wird die Zusammenarbeit über Sprachbarrieren hinaus gepflegt. Ernst Stauber, in PORSCHE SCENE 03/2003 schon einmal vorgestellt, ist auf Steirer Seite verwurzelt, Franc Malgaj auf der slowenischen. Es gilt, ein 1964er 356 C 1.600 SC Cabriolet aus Malgajs Kollektion zu dokumentieren. Der Mechaniker und Autohändler im Ruhestand hat sich einen Porsche-Fundus zugelegt, den er mit seinem Sohn Andrej bei Clubveranstaltungen in Bewegung hält. Die jährlich im April stattfindende "Crossboarder-Rallye" entspricht dem Denken der Malgajs, denn auch für ihr pastellblaues 356 C 1.600 SC Cabriolet verließen sie ihre Heimatstadt Trbovlje in Zentralslowenien und sahen sich in Österreich um.

Beim privaten Oldtimer-Museum Kröpfl in Hartberg, Steiermank, bot sich eine Gelegenheit, auf die Franc Malgaj seit einem guten Jahrzehnt gewartet hatte: jenes frisch lackierte, jedoch unfall- und rostfreie 356 C 1.600 SC Cabriolet, das er nun sein Eigen nennt. Er ahnte nichts von den Verkaufsabsichten des Mercedes-Benz-Händlers Kröpfl, als er mit dem Oldtimer-Club in Hartberg anrollte. Er wusste nur, dass Kröpfl 1997 das Auto- und Motorradmuseum auf Schloss Kremsegg übernommen hatte und zwar komplett. Durch diese Transaktion vergrößerte sich Kröpfls Bestand auf etwa 150 Automobile und 70 Motorräder. Es entwickelte sich ein reger Handel, von dem auch Franc Malgaj profitierte. Er erwarb einen historischen Porsche mit 95-PS-Motor ohne "Matching Number" - der Originalblock war im Laufe der Jahre gewechselt worden. Das konnte ihn vom Kauf nicht abhalten. In Eigenregie überholte er das Vierzylinder-Aggregat und dichtete es neu ab. Auch das Getriebe unterzog Franc Malgaj dieser Prozedur. Soweit er das beurteilen könne, sei der technische Stand des Originals wieder hergestellt, sagt er und fügt hinzu, auch das Verdeck sei erneuert worden. Es entspricht der in Sud(ost)europa vorherrschenden Mentalität, die Dinge des Lebens gelassen zu sehen. Wie die blaue Farbe so ganz genau heiße, wisse er selbst nicht. Sohn Andrej gelobt derweil, das ließe sich herausfinden. Es macht durchaus Sinn, denn ausgerechnet dieser Blauton, ganz korrekt heißt er "Pastellblau 321", war Impulsgeber der nächtlichen Reise. Entdeckt im Bildmaterial der "Crossboarder-Rallye" 2008 (Beitrag in PORSCHE SCENE 04/2009) löste der bloße Anblick der Fotos den Wunsch aus, diesen wunderbaren Klassiker so richtig in Szene zu setzen.

Und nun ist der Tag gekommen, auch wenn sich der Glaube an Frühling und Sonnenschein am Morgen nicht einstellen will. Slowenien zeigt sich grau in grau, die Landstraßen abseits der Autobahn sind nass und holprig. Doch es soll besser werden, zur Bestätigung (oder doch eher Beschwörung?) hat der Scheibenwischer heute dienstfrei. Den ganzen Tag. Die slowenisch-kroatische Grenze liegt in Reichweite, dahinter folgt ein Kurvengeschlängel, das bei jeder Rallye als Sonderprüfung geeignet wäre. Alles geht voll - im dritten Gang und mit Kreuzgriff am Lenkrad. Allmählich steigt die Spannung, der vereinbarte Zeitpunkt steht nun einmal: 14.00 Uhr in Ivanec, dem Talort des Berges Ivanščica! Im Radio heißt es: "Dobar Dan!" - "Guten Tag" auf Kroatisch. Ob das auch für Nachteulen mit Augenringen gilt? Das Kurvenstakkato nimmt und nimmt kein Ende - wie sich diese tolle Strecke wohl ausgeschlafen anfühlt? Der Rundblick durchs Auto offenbart, das niemand diesen Gedanken teilen will. Die Gesichter sprechen Bände, Leidensmienen vermitteln ein stummes: "Sofort aufhören!" Ja doch - aber unsere Porsche-Freunde kommen! Plötzlich ist es geschafft: Im rechten Teil der Windschutzscheibe taucht eine Erhebung in den Ausmaßen deutscher Mittelgebirge auf. Das Telefon klingelt, am anderen Ende meldet sich Helmut Heuberger, Präsident des Porsche Club Steiermark. Er sondiert die Lage mit den Worten: "Ihr seids schoa doarten? Brav!" Etwa 15 Minuten vergehen. Dann rollt er heran, in seinem Schlepptau die Fotomodelle von Ernst Stauber und Franc Malgaj. Ein Porsche-Treffen im Miniaturformat, noch dazu in einem Land, in dem der Sozialismus Sportwagen weitgehend verbannte. Damals, in einer anderen Zeit. Es ist ein großes Hallo, ein Herzen, Umarmen und auch Übersetzen. Dass alle hier auf diesem schlichten, mit Schotter bedeckten Platz dieselbe Leidenschaft pflegen, bedarf keiner Worte.

Und auch Helmut Heuberger, nach einem biblischen Tohuwabohu in seinen präsidialen Würden bestätigt, atmet tief durch: "Schen hobs a des hiar!" Es kann losgehen mit dem eigentlichen Zweck des Treffens: ein Traum von einem 356, drapiert von einem roten Speedster, gehen vor der Kamera in Position. Selbst wenn die Sonne nicht herausgekommen wäre, es würde allen Anwesenden warm uns Herz. Franc Malgaj bleibt zunächst im Hintergrund, er lässt den historischen Porsche auf die Betrachter wirken. Und wie er das macht! Die flachen Radkappen sind das äußere Merkmal des 356 C, der zum Modelljahr 1964 den Lebenslauf dieser Porsche-Modellreihe beschließt. Seit der IAA im Herbst 1963 steht der 911 in den Startlöchern, die Ablösung des 356 durch die kommende Nummer eins bei Porsche ist abzusehen. Die beiden letzten Ausführungen mit Stoßstangenmotoren heißen 356 C und 356 SC, sie werden als Coupé und Cabriolet angeboten. Beide Karosserien sind mit der zuletzt gebauten T6-Form des 356 B weitgehend identisch. Beim Cabriolet kann das Kunststoff-Heckfenster per Reißverschluss von innen oder von außen geöffnet und nach unten geklappt werden. Hierdurch ergibt sich eine weitere Dimension des Offenfahrens. Der sehr zuverlässige Motor des 356 C leistet 75 PS bei 5.200/min, die höchste Leistung setzt die 95-PS-Maschine im 356 SC frei. Bei 5.800/min erreicht sie ihren Zenit, bei 4.200/min liegt das maximale Drehmoment von 124 Newtonmetern an. Franc Malgaj insistiert, an der Leistungsausbeute seines 95-PS.-Aggregats trotz Homemade-Revision nicht gerüttelt zu haben. "Nein, nein", diktiert er der aus rein privaten Gründen anwesenden Übersetzerin, "einen alten Porsche wie neu herzurichten und anschließend zu fahren - das ist für mich das Schönste! Glauben Sie mir, ich mag dieses Auto so sehr, nicht einmal mein Sohn Andrej darf hinters Lenkrad. Dafür kann er aus vier anderen Porsche wählen."

Das Repertoire zuhause in Trbovlje - 85 Kilometer, aufgrund der vielen Kurven aber gute zweieinhalb Autostunden entfernt - reicht vom Cayenne S über 911 Softwindow-targa und 930 turbo 3,3 bis hin zum 356 Speedster aus dem Jahr 1955. Später am Nachmittag, im Wegfahren, kommentiert die zwar ortsverbundene, aber eben aus dem Westfälischen mitgereiste Übersetzerin vom rückwärtigen Sitz: "Ihr habt doch alle denselben Nagel im Kopf!" Wie recht sie hat! Nicht umsonst lautet das Motto des Porsche Club Steiermank: "Porsche gemeinsam mit Freunden erleben" Präsident Helmut Heuberger und Ernst Stauber sind beim Mini-Porsche-Treffen in Ivanec die Stellvertreter. Porsche gemeinsam mit Freunden erleben: Das kann so einfach sein, so spantan, so schön und so bodenständig! 20 Kilometer weiter, kurz vor der Stadt Varaždin, biegt ein Panamera mit Stuttgarter Zulassung in die Landstraße ein. Plötzlich flimmert das gestrige Schlussbild der S-Bahn-Station von Stuttgart-Zuffenhausen vor Augen. Wo der wohl hinfährt? Das Ziel kann gar kein anderes sein: Werk 1, Tor 1! Für große Jungs (und Mädels) mit Nägeln im Kopf ist das nachvollziehbar. "Foarts heuer öh wiader retour?", hinterfragt "Helle" Heuberger zum Abschied. Er hätte es für möglich gehalten, soviel steht fest! Aber aus einer 24-Stunden-Schicht muss keine Neuauflage des "Marathon de la Route" über 86 Stunden werden. Heute nicht, denn dazu hätten wir einen 914/6 dabeihaben müssen. Das wäre noch was - die ultimative Potenzierung des Wahnsinns in authentischem Orange mit Leuchtgelb auf halber Stoßstangenbreite! Wir denken darüber nach.

Von: Carsten Krome

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