Top-Story im Juli 2010: Eines Meisters Werk

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"Porsche baut saumäßig gute Sportwagen. Der Spielraum für einen Performance-orientierten Betrieb wie den unseren wird mit jeder neuen Modellgeneration geringer!" Das sagt einer, der es wirklich wissen muss: Olaf Manthey, der viermalige Gewinner des 24-Stunden-Rennens auf dem Nürburgring. Dem Realisten aus dem Rheinland ist ebensowenig entgangen, was draußen am Markt los ist. Es ist zum Beispiel schwieriger geworden, junge Gebrauchte der Kategorie eines 2006 erst vorgestellten 911 (997) GT3 Mk1 abzusetzen. Für die Zielgruppe, die den kaum zu umgehenden Wertverlust beim Umstieg in einen GT3 zweiter Serie scheut, arbeitete Manthey ein Sportprogramm aus. Was er unter der Projektbezeichnung "M480" austüftelte, soll - auf die Fahrleistungen bezogen - in der Liga des zurzeit aktuellsten Sport-Elfers aus Zuffenhausen spielen. Mindestens - denn der Meistermacher aus Meuspath wäre nicht der Racer, der er nun einmal ist, hätte er keinen winzigen Vorsprung auf den GT3 Mk2 einprogrammiert. Fürwahr eine spannende Top Story, wie wir finden.


Eines Meisters Werk


Vor zehn Jahren eröffneten Renate und Olaf Manthey im Gewerbepark am Nürburgring einen Betrieb, der Maßstäbe nicht nur in der Porsche-Landschaft setzen sollte. Anfangs waren auch DTM-Tourenwagen mit Stern im westlichen der zwei unabhängig voneinander angelegten Werkstattbereiche stationiert. Der Ostflügel jedoch gehörte von Anbeginn den Porsche. In der Mitte des Areals schuf die Denkfabrik, profan als Verwaltung ausgewiesen, eine bauliche Abgrenzung von DTM- und Porsche-Abteilung. Doch die Sache entwickelte sich und so erfolgte viereinhalb Jahre nach dem ersten Abschnitt im Eifeldorf Meuspath der nächste strategisch geplante Schritt. Mitte 2004 erhielt die Manthey-Racing GmbH einen Ableger mit Straßenzulassung - die neue Firma Manthey-Motors. Die Zweckbestimmung der Geschäftsfelder Rennkunden-Betreuung und Tuning war von Stunde an eindeutiger. Den Mantheys gefiel nur eines nicht: das Wort Tuning, in Porsche-Kreisen ohnehin das Unwort unseres Jahrtausends. Das Bonner Ehepaar einschließlich Nachwuchs inhalierte den Benzinduft vieler Rennstrecken. Mit "Show & Shine", sprich: Effekthascherei, konnten diese Realisten nicht das Geringste anfangen. Geschweige denn, verkaufen: "Nie werde ich diesen jungen Mann vergessen", erzählte Olaf Manthey einmal, "der direkt von der Werksabholung seines nagelneuen 911 turbo bei meiner damaligen Werkstatt in Rheinbreitbach vorgefahren kam. Er stieg aus, schüttelte mir die Hand und sagte: 'Ich will 1.000 PS haben, die müssen Sie mir einbauen!' Ich guckte den nur an und fragte: 'Was wollen Sie denn damit?' Dem musste ich erst einmal begreiflich machen, was Sache ist, Umsatz um jeden Preis kann eigentlich jeder generieren."

An Ihrer Einstellung haben die Mantheys nichts geändert, auch nicht nach vier triumphalen Siegen beim 24-Stunden-Rennen, für das sie 365 Tage im Jahr leben. Im Gegenteil: Anlässlich ihres zehnjährigen Betriebsjubiläums hätten Sie das neueste, teuerste, stärkste Serienmodell aus Zuffenhausen hernehmen und in jeder Beziehung ein bisschen schärfer machen können. Der simpel gestrickten Logik der Tunerbranche hätte solches Streben nach dem potenzierten Superlativ entsprochen. Doch als Tuner sehen sich die bodenständigen Rheinländer nicht. Vor allem Olaf Manthey verabscheut es, das geflügelte Wort "Show & Shine" überhaupt auszusprechen. "Verarschung" lautet für ihn die Übersetzung ins Deutsche und das vermittelt er jedem, der seinen Standpunkt hinterfragt. Karbon-Lagen über Partien aus Blech laminieren, um Leichtbau vorzutäuschen? Glasfaser-Spoiler an einen hochklassigen Porsche schrauben? Wer das bei Olaf Manthey vermutet, der lernt seine kantige Seite kennen. Es kann passieren, dass einem tiefen Zug an der Filterzigarette (grundsätzlich aus einer weiß-roten Hardbox) ein gehöriges Donnerwetter folgt. Das hört sich dann in etwa so an: "Wer braucht Spoiler, die schwerer sind als Serienteile, wer braucht Umbauten, die technische Eigenschaften eher ins Gegenteil verkehren?" Und er setzt noch eins drauf, indem er feststellt: "Ich frage mich, wie man ohne aktiv betriebenen Motorsport an die ganzen Daten herankommen will, die wir hier tagtäglich brauchen. Denn eins steht mal fest: Porsche baut saumäßig gute Sportwagen, der Handlungsspielraum für uns wird mit jeder Modellgeneration geringer."

Manthey, der schon vor zehn Jahren aufs Kilogramm genau aussagen konnte, welchen Abtrieb welcher Spoiler bringt, weiß nur zu gut: "Mit dem 997 GT3 der ersten Serie hat Porsche 2006 erstmals ein Serienauto hingestellt, das überhaupt keinen aerodynamischen Auftrieb mehr produziert. Wie soll man dann ein zusätzliches Aerodynamikteil argumentieren?" Recht hat er - und dabei gleichzeitig im Hinterkopf, dass nicht allzu wenige Porsche-Leute den Anspruch mitbringen, sich zu differenzieren. Das Projektfahrzeug "M480" zeigt auf, wohin die Reise geht. Vordere Haube und Dachhaut bestehen aus Sicht-Karbon, was Reminiszenzen an Porsche-Klassiker zulässt. Schließlich ist das Basismodell, ein 997 GT3 der ersten Serie, in "Carraraweiß" ausgeliefert worden. Das ergibt einen zwar harten, aber auch sehr reizvollen Kontrast. Bis auf eine Cup-Frontspoilerlippe (O-Ton Olaf Manthey: "Die bringt fünf Kilogramm an zusätzlichem Abtrieb") bleibt das vorgegebene Aerodynamik-Konzept so, wie es ab Werk nun einmal ist. Die Karbon-Dachhaut spart weitere 5,1 Kilo ein, das Heckfenster aus dem Polycarbonat Makrolon® 2.600 Gramm. Diese Gewichtsreduktion, noch dazu am obersten Punkt des Fahrzeugs, lässt sich der Meister zitieren, sei hauptverantwortlich für die Verbesserung der Dynamik. Er wolle aufzeigen, dass der 997 GT3 der ersten Serie mit seinem 2009 eingeführten Nachfolgemodell, dem GT3 Mk2, dank geeigneter Kunstgriffe gleichziehen kann. Und wohl auch mehr als das: "Es  ist für den Besitzer des vermeintlich älteren Modells doch immer ein innerer Vorbeimarsch, wenn es einen Tick schneller ist als das neue." Der derzeitige Marktlage habe ihn auf den Trichter gebracht, will der 55-Jährige festgehalten wissen. "Es ist im Moment schwierig, einen jungen, gebrauchten Sportwagen zu einem vernüftigen Preis abzusetzen", analysiert er, "auf diese neue Situation haben wir uns eingestellt."

Im Zentrum seiner Bemühungen stand natürlich der Motor. 40 Prozent speziell gefertigter und in Renneinsätzen getesteter Komponenten verschoben das bisher geltende Hubraumlimit auf 4,1 Liter. Zu den Sonderteilen gehören neben Kurbelwelle, Nebenwelle und Pleueln aus Stahl oder Titan (gegen Aufpreis) auch Stahl-Nasslaufbuchsen, die aus Vollmaterial hergestellt werden. Mantheys handwerklicher Triebwerksbau steigert die Ausbeute von 415 auf 480 PS (daher die Projektbezeichnung "M480"). Das maximal zur Verfügung stehende Drehmoment legt um 70 Newtonmeter zu. Stolz verweist der Nürburgring-Intimus auf die Tatsache, "dass sonst Leistungssteigerungen am 911 turbo zu den genannten Zuwchsen führen". Ein Turbo-Faktor demnach, der freilich seinen Preis hat: 39.000 Euro bei Verwendung von Stahlpleueln, 45.000 Euro bei drehfreudigeren Titan-Pleueln. Marktrelevant scheint die Aufzucht zum Vollblut nach wie vor zu sein. Von zehn Bestellungen sei bei Manthey-Motors ausgegangen worden, konstatiert die Chefetage, sechs hätten bis zum Jubiläumsmonat April 2010 bereits vorgelegen.     Das Umfeld des 4,1-Liter-Treibsatzes besteht aus ausgefeilten Abgaskrümmern und Katalysatoren, integriert in ein Akrapovic-Auspuffsystem aus Titan-Rohren. Lufteinlasskit aus Karbon, ein spezieller Zündkerzensatz sowie die Anpassung der Motronic an die veränderten Gegebenheiten gelten als selbstverständlich in dieser Liga. Dem großen Rundumschlag muss die Antriebsseite natürlich Rechnung tragen. 980 Newtonmeter könnte die Sportkupplung aushalten, wenn es denn darauf ankäme. Die fünfte und sechste Fahrstufe des Serien-Schaltgetriebes sind kürzer übersetzt, der Lamellensatz aus dem Sperrdifferenzial des GT3 Cup erhöht die Sperrwirkung auf 60 Prozent. Michelin-Sportreifen, auf Wunsch in 325/30 ZR 19 an der Hinterachse, setzen die verbesserte Traktion zuverlässig um.

Aufgezogen sind die "Pilot Sport Cup" aus dem französischen Clermont-Ferrand auf Räder, die ein eigenes Kapitel wert sind. BBS fräst sie aus hochverdichteten Aluminium-Blöcken. Olaf Manthey, der dem Fertigungsprozess persönlich beiwohnte, ist von so viel High-Tech angetan, er schwärmt: "Bevor die Fräse in den Aluminium-Klotz einfährt, ist dieser bereits verfügt und hochfest." Bisher sorgte Manthey-Motors mit einem ebenfalls bei BBS realisierten Magnesium-Design für Furore. Das "MM1" getaufte Aluminium-Rad ist aber preisgünstiger und dank der neuen Produktionsmethode der Magnesium-Felge ebenbürtig. Gegenüber dem Original-Rädersatz werden dreizehn Kilogramm an Gewicht eingespart. Die physikalischen Auswirkungen sind vielfältig, wie Olaf Manthey ausführt: "Der Widerstand, den die Räder einer Änderung ihrer Drehzahl entgegensetzen - auch  Massenträgheitsmoment genannt - nimmt ab. Der Motor muss weniger Kraft aufwenden, um das Fahrzeug zu beschleunigen." Eine weitere, entscheidende Verbesserung erklärt sich aus der Tatsache, dass Räder zu den ungefederten Massen gehören. Die Reduzierung der ungefederten Massen beeinflusst den so genannten Kreiseleffekt. Dieser erzeugt beim Lenken ein der Lenkbewegung entgegengesetztes Drehmoment. Wiegen die Räder wenig, ist auch der Kreiseleffekt klein. Beides kommt dann der Lenkwilligkeit zugute. „Die ungefederten Massen", gestattet der Fahrwerks-Experte tiefere Einblicke, "sind vor allem für den Fahrkomfort entscheidend. Es geht um eine möglichst minimale Vertikalbeschleunigung der Räder. Je geringer die ungefederten Massen sind, desto weniger haben die Räder die Eigenschaft, sich auf und ab zu bewegen, desto besser sind der Fahrbahnkontakt, die Genauigkeit der Lenkung und das Eigenlenkverhalten. Leichte Räder verbessern zudem die Rückmeldung der Lenkung zum Fahrer, Radaufhängungen und Stoßdämpfer nutzen weniger ab."

Die Mischung aus Gelassenheit und Nachdrücklichkeit, mit der Olaf Manthey wissenschaftliche Zusammenhänge vorträgt, ist auf der Nürburgring-Nordschleife gewachsen. Sein Fundus an Erfahrungen ist unermesslich. Und auch vor der Gründung der Manthey-Racing GmbH 1996 war die Funktion als technischer Leiter des DTM-Teams Persson nicht nur charakterbildend. Er bringt es auf den Punkt: Man kann ihn nichts vormachen, ergo macht er niemandem etwas vor. Zusammenfassend rechnet er aus: "Ein Kilogramm an ungefederter und rotierender Masse kommt in seiner physikalischen Auswirkung etwa sechs Kilogramm gleich, die zum Beispiel der Karosserie entnommen werden müssten. Ob das für den Preis unseres Rädersatzes zu verwirklichen wäre, sei dahingestellt." Karbon verarbeitet Olaf Manthey dennoch, und zwar bei den Türverkleidungen. Kaum zu glauben, hungert er allein damit neun Kilogramm herunter - um zusätzliche sieben Kilogramm ergänzt, die die Entnahme des Dämmmaterials ergibt. Über herkömmliche Kriterien wie die Entwicklung der Höchstgeschwindigkeit oder den Sprint von null auf 100 km/h spricht er kein einziges Mal. Sein Fazit setzt völlig andere Schwerpunkte: "Der neue 'M480' konnte in den gefederten Massen um rund 52 Kilogramm gewichtsoptimiert werden. Hinzu kommen dreizehn Kilogramm ungefederte und rotierende Massen. Die Summe entspricht einer physikalischen Reduzierung von insgesamt 78 Kilogramm. Die Vorteile für die Fahrdynamik sind deutlich zu spüren und klar erfahrbar!" Und im Nachsatz: "Selbstverständlich können auch aktuelle GT3 der zweiten Serie mit unseren Teilen nachgerüstet werden." Ein  langjähriger Kunde - seines Zeichens aktiver Teilnehmer an der Langstrecken-Meisterschaft Nürburgring und beim 24-Stunden-Rennen - platzierte bereits einen entsprechenden Auftrag.

Für Liebhaber der Modelljahre 2006 bis 2008 brechen deshalb keine schlechten Zeiten an. Es ging um die Egalisierung jenes Entwicklungsvorsprungs, den die Ingenieure in Weissach dem GT3 Mk2 mit auf den Weg gegeben haben. Dass Manthey und die schlauen Schwaben öfter mal die Köpfe zusammenstecken, ist auch kein Geheimnis. Sondern eher ein Kompetenzbeweis, falls das noch nötig sein sollte.

Von: Carsten Krome

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